Ronde van Flanderen


Anfang Dezember 2013 schrieb Michel den e-mail Verteiler des Radsportvereins an und fragte wer
Anfang April die Flandern Rundfahrt mitfährt. Ich überlegte kurz und sagte meine Teilnahme zu.
Nicht wissend was ich zugesagt habe. Nun gab esein Ziel auf das es sich vorzubereiten galt.
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Freitag, 4. April, reisten wir in Geraardsbergen an,Michel, Klaus und ich. Michel de Moey, 46 Jahre,
Gewicht 90 kg bei 1,75 m, in 2013 gefahrene km:16.500!
Klaus Petit, 44 Jahre, 72 kg bei 1,70 m. in 2013gefahrene km: 13.000 km!

Und ich, 40 Jahre, 76 kg bei´m Meter dreiundachtzig, der im letzten Jahr
nicht auf die Hälfte der km-Leistung von Klaus kam, 6.400 km waren es

 

Dieses Jahr spulte ich bis zum Start der Ronde 2.300 km ab. Michel und
Klaus fuhren in diesem Jahr bereits 4.500 km. Im Grunde bin ich kein
Freund davon das Leistungsvermögen eines Radlers an den gefahrenen Kilometern zu beurteilen,
dennoch zeigt es mit welchen beiden `Extremen´ ich an der Ronde teilnehmen konnte.
Freitag abend waren wir in Oudenaarde und besuchten unter anderem das Centrum Ronde
van Vlaanderen. Eine Dauerausstellung über die Geschichte der Flandern Rundfahrt. Inkl. einer
gewidmeten Ecke für Fabian Cancellara, der 2013 die Ronde gewonnen hat und auch 2014 wieder
alles richtig machte und als Erster über die Ziellinie flog.
Letztes Jahr, so heißt es auf der Infotafel, fuhr er auf den letzten 13 km der Ronde durchschn.
500 Watt. Jeder der schon einmal wattgesteuert in die Kurbeln getreten hat, weiß was das bedeutet!


BELGIEN – RONDE VAN VLAANDEREN Cyclo

Am 5. April war es soweit. 3:45 aufstehen, Frühstücken, 4:20 mit dem Auto nach Oudenaarde,
ab in den Bus, versucht weiter zu schlafen was nicht ging, da div. Nationalitäten im Bus saßen und
endlos gequatscht haben. Wer waren die lautesten?
Die Italiener. Ankunft mit dem Bus in Brugge um 5:30 Uhr, Ausladen der Räder und ca. 10 km, bei 8
Grad zum Start gerollt. Kalt aber zumindest war es trocken. Was ich mir für den ganzen Tag auch
gewünscht habe. Klaus erklärte, dass es letztes Jahr in der Nacht davor noch kräftigen Bodenfrost gab.
Am Start ist Michel aufgefallen, dass er zwei rechte Handschuhe an hat. Wen wunderts? Wer ihn kennt
weiß, dass es durchaus sein kann, sobald er ins Auto steigt, den Wagen startet, bemerkt, dass er die
Brieftasche vergessen hat, den Wagen ausmacht, ins Haus geht die Brieftasche holt, sie findet und
sich dann fragt: “ Wo habe ich denn jetzt den Autoschlüssel hingelegt?“

Das obligatorische Startfoto wurde mit dem Handy geknipst, sich gegenseitig Glück gewünscht,
Helmkamera aktiviert und um 7:18 Uhr ging es los. Es warteten 245 km, 2.000 hm, 15 Hellinge,
teilweise auf Kopfsteinpflaster und 4 flache Kopfsteinpflasterpassagen darauf bewältigt zu werden!
Die ersten 110 km wurden locker im Feld gerollt, wobei das Feld sehr nervös war. Immer
wieder wurden wir von den Begleitmotorrädern der belgischen Polizei auf diese dämlichen Radwege
verwiesen. Es passierten in den letzten Jahren zu häufig folgenschwere Unfälle sobald das Feld auf
der Straße fuhr. Ein Blick auf den gelben Aufkleber auf dem Oberrohr zeigte, dass die ersten beiden
Verpflegungsstellen bei km 53 und 94 anstehen. Die ersten Verpflegungsstellen wurden angefahren.

Super Verpflegung. Bananen, Apfelsinen, getrocknete Aprikosen, Fruchtriegel,
Honigwaffeln, Honigkuchen, Honig in Portionsbeuteln zum `nachwürzen´, Getränke satt.
Wir starteten wieder, Musiker standen am Straßenrand und trällerten irgendetwas auf ihren
Blasinstrumenten und Trommeln. Bei km 120 folgte der erste Helling, Wolvenberg, 645 m lang,
durchschn. Steigung 7,9% und max. 17,3%! Die Schilder mit diesen Angaben hingen vor jedem
Helling und machten deutlich was zu bewältigen war. Das Schild mit dem Hinweis `Don't look
back!´ motivierte nicht sonderlich. Nicht zurück schauen? Dachte ich mir, pah, zurück schauen ist
nicht das Problem, zu sehen was hochgekurbelt werden muss beeindruckte mich.
In einem Anstieg stand kurz vorm Gipfel ein Trommler, er trommelte im gleichen Takt wie auf einer Gallere im Mittelalter.
Als fünfter Helling folgte der Boigneberg, 1.050 m lang, Max. Steigung 12%, im Durchschnitt 5,2%.
Vor dem Helling ein Schild: You don´t have to go fast, you just have to go! JAAAA, so Schilder
konnte ich gebrauchen! Aber es stimmte….

Kurz vor dem Anstieg ein belgischer Vater mit seinem Sohn! Der Junge war höchstens 10 Jahre alt.
Auf dem Rennrad kurbelte er wie ein großer, HAMMER! Überall am Streckenrand standen die
Leute und feuerten uns an, ein antreibendes Gefühl– sehr geil.
Zwischendurch erwischte ich riesengroßes Schlagloch, ich war zu schnell um auszuweichen,
gerade noch konnte ich das Vorderrad hochziehen für´s Hinterrad hat der Lupf nicht gereicht - ZACK!
Mit dem Hinterrad aufgeschlagen. Ich spürte förmlich wie die Felge auf die Kante des
Schlagloches schoss und dachte mir – das wars. Reifen platt. Was war? Nichts. Es ist nichts passiert
- ich konnte weiter kurbeln….. Das Material hat gehalten. Allerdings quietschte später am Tag das
Lager im Freilauf und war bei hohem Tempo höllisch laut, aber egal – es ging weiter. Keiner von
uns dreien ist gestürzt, zwar verlor Klaus seine Satteltasche auf dem Kopfsteinpflaster kurz vorm
dritten Helling, dem Leberg, 950 m lang, in der max. Steigung 13,8% steil, aber ansonsten lief alles
sturzfrei. Nur nicht unbedingt schmerzfrei. Vor jeder Kopfsteinpflasterpassage oder der
Kombination aus steilem Helling und Kopfsteinpflaster dachte ich mir, schon wieder so
ein Rüttelstück. So arbeiteten wir drei uns km um km dem Ziel in Oudenaarde näher.
Mittlerweile saßen wir ca. 7 ½ Stunden auf dem Rad. Es war kurz vor drei - nachmittags. Im Grunde
Zeit für eine leckere Tasse Kaffee im Sonnenschein. Ging aber nicht - der 7. Helling
folgte – der Koppenberg im Sonnenschein. Michel wünschte mir vorm Helling noch
viel Glück und war weg. Zu Beginn war ich noch einige Meter hinter ihm und sah wie er einen
Teilnehmer zur Seite schieben musste. Er war zu langsam für Michel, da musste gehandelt werden.
Also wurde er mit sanftem Druck schön nach rechts zur Seite geschoben. Warum ich das so genau
weiß? Ich besitze den Videobeweis.. Alle fahren wie in Zeitlupe. Zick Zack.
Halten an. Kippen um. Die, die nicht mehr können und absteigen, was in Ordnung ist, gehen auf dem,
ohnehin sehr schmalen Anstieg von nur ca. 4 m, mitten auf dem Weg – Vollpfosten. Dadurch
werden die nachfolgenden Fahrer die noch das ein oder Körnchen haben, so wie ich, am Weiterfahren
gehindert. Bis zur Mitte kam ich, dann musste ich absteigen. Es war Stau. Mist! Einige Meter musste
ich schieben, konnte mich dann wieder auf´s Rad setzen, wurde von Zuschauern kurz angeschoben
und habe wieder Gas geben können. Puls auf 170! Egal, hochgekurbelt.
Es folgte die Mariaborrestraat 2000 m lang, Kopfsteinpflaster versteht sich. Michel zieht an mir
vorbei und brüllt: „Komm Niels, die kannste nur Vollgas fahren!“ Klugscheißer denke ich. Wie soll
das gehen? Auf Kopfsteinpflaster ist man als Ungeübter per se langsamer und fährt mind. 2
Gänge leichter. Uninteressant für Michel! Er tritt rein und ist weg. Klaus & ich quälen uns über das
Kopfsteinpflaster. Sobald zu langsam über das Kopsteinpflaster gefahren wird rappelt es umso
schlimmer! Alles rappelt, die Füsse und Beine rappeln so sehr dass es überall kribbelt. Die Hände
vibrieren so stark, dass es in jedem einzelnen

Fingergelenk schmerzt. Auch der Versuch das Gewicht auf dem Rad mittig zu verlagern, den
Hintern etwas aus dem Sattel zu heben, in der Hoffnung, dass es erträglicher wird, hat nicht
geholfen. Im Gegenteil, der Sattel schlug nur von unten gegen die Eier! Welche Qual!
Sobald ein Kopsteinpflasterstück absolviert ist, die Räder wieder auf anständigem Asphalt surren,
kommt unmittelbar das Gefühl auf, als gäbe es einen Platten. Michel erzählte bereits vor dem Start
davon. Es stimmte. Nach jedem Kopsteinpflasterstück musste ich mich umsehen
und vergewissern ob der Reifen noch in Ordnung ist. Es fühlte sich in der Tat wie ein Plattfuß an.
Trinkflaschen, Armlinge, Riegel, Rückleuchten und Satteltaschen habe ich am Wegesrand der
Kopsteinpflasterpassagen liegen sehen. Erschöpfte und gestürzte Radfahrer übrigens auch.
Anfangs teilweise, später immer öfter, fuhr ich ganz auf der Seite um wenigstens einige Meter
am Rand, auf der Wiese oder der Straßen Rinne KEIN Pflaster fahren zu müssen. Zwar werden die
gnadenlosen Steigungen dadurch nicht leichter nur ist dieses Drecks Gerüttel nicht mehr da.
Um kurz vor fünf war es dann soweit. Der knackigste Helling stand da. Der Paterberg 360 m
lang, durchschnittlich 12,9%! Max. 20,3%! Wir sind in hoch GEFAHREN! HAMMER! Ich fuhr
ihn hoch den Paterberg. Es war sooo anstrengend, extrem anstrengend. Jede halbe Kurbelumdrehung
ein Kraftakt. Vorne bissen 39 Zähne in die Kette und hinten zogen 28 Zähne am Freilauf. Oben
angekommen! Mittendrin dachte ich daran abzusteigen. Einige Meter vor mir stieg einer ab. Ich dachte mir,
wie geil, Du bist nicht allein wenn Du jetzt absteigst. Dann sah ich die Fahnen am höchsten
Punkt mit der Aufschrift TOP. Da dachte ich mir scheiß was drauf das schaffst Du auch noch. Ich
habe es geschafft. Hammer Hammer Hammer! Alle Hellingen bewältigt! Michel erwartete
mich bereits. Kurzer Stop, wir beide umarmten uns und freuten uns beide, dass wir es geschafft haben.
Klaus war etwas weiter vorn. Ich bin ehrlich, die eine oder andere
Glücksträne stieg in mir auf. Ich war stolz es geschafft zu haben.
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Kräftezehrender Anstieg

Wir drei kurbelten die letzten km Richtung Oudenaarde und kamen gemeinsam um 17:24 Uhr
ins Ziel. Klaus aß zum Schluß ne Tüte Fritten, getreu nach dem belgischen Motto:

OHNE FRITT KEIN TRITT!
Eine leckere Bratwurst mit Zwiebeln gönnte ich mir, Michel verzichtete aufs Essen. Erst einmal.
Schließlich kurbelten wir locker zurück zum Auto. Auf dem Rückweg ins Appartement wurde noch ein
Sixpack belgisches Bier, La Chouffe, 8,0% in der durchschn. Steigung, gekauft. Für eine ausufernde
Feier fehlte uns abends aber die Kraft. Damit ließen wir nach der 98. Flandern-Rundfahrt am
Samstagabend auf unspektakuläre Weise einen denkwürdigen Tag ausklingen - schön war´s.
Wir drei.
Ausnahmsweise Michel ganz hinten, davor Klaus der mir
folgt… Kurz nach der Zielankunft